Antoine van Horen, Plant Manager bei GG Group Poysdorf, erklärt im StEP-Up-Interview, warum Leader Standard Work ein wesentlicher Erfolgsfaktor für produzierende Unternehmen ist und wie eine erfolgreiche Einführung funktioniert.
Beginnen wir mit einer Definition: Was ist für GG Leader Standard Work?
Leader Standard Work ist für uns eine standardisierte Verankerung des Führungsprozesses in das tägliche Tun. Das heißt, dass bestimmte Führungstätigkeiten regelmäßig und in standardisierter Form durchgeführt werden.
Warum hat GG Leader Standard Work eingeführt?
In der Vergangenheit haben wir bemerkt, dass wichtige Aufgaben wie Mitarbeitercoaching, Strategie- und Verbesserungsarbeit im operativen Geschäft vielfach untergegangen sind. Da wir sicherstellen wollten, dass für alle notwendigen Führungsaufgaben die erforderliche Zeit zur Verfügung steht, haben wir uns für die Einführung von Leader Standard Work entschieden.
Wie sind Sie bei der Einführung von Leader Standard Work vorgegangen?
Buttom-up und top-down. Wir haben bei den Vorarbeitern angefangen, weil wir gespürt haben, dass sie im täglichen Firefighting total verloren waren und sie zum Beispiel ihre PDCAs nicht mehr abarbeiten konnten. Gleichzeitig habe ich selbst mit Leader Standard Work angefangen. Schön langsam konnte ich auch mein Managementteam davon überzeugen, dass wir Leader Standard Work benötigen, um weiterzukommen. Sie haben gesehen, dass ich auch Leader Standard Work mache und dass es funktioniert.
Wie hoch ist der Leader Standard Work-Anteil in den einzelnen Führungsebenen?
Beim Meister und Vorarbeiter beträgt der Leader Standard Work-Anteil ca. 80 %. Bei mir werden es ca. 50 % sein und beim COO ungefähr 20 bis 30 %.
Welche Entschuldigung wird akzeptiert, wenn Leader Standard Work-Aufgaben nicht konsequent durchgeführt werden?
Eigentlich gibt es nur zwei mögliche Gründe. Für Manager sind das nicht aufschiebbare Geschäftsführerprioritäten, für Vorarbeiter oder Meister ist das ein Störfall an einer Engpassanlage. Sonst gibt es keinen Entschuldigungsgrund.
Was sind bei GG die wichtigsten Leader Standard Work-Routinen?
In der Produktion und in den administrativen Bereichen – das heißt Produktion, Qualität, Supply Chain Management, Technik, HR und Finanzen – gibt es regelmäßige Shopfloor Meetings. Es war nicht einfach, aber wir haben Shopfloor Management zu 100 % über alle Abteilungen, direkt und indirekt, ausgerollt. Administration und Produktion – überall gibt es Shopfloor Meetings, wo KPIs, Ziele und Abweichungen zu den Themen Sicherheit, Qualität, Durchlaufzeit, Kosten und Umwelt besprochen werden.
Wir sprechen übrigens bewusst auch in der Administration von Shopfloor Management und nicht von Officefloor Management, weil wir glauben, dass es für unsere Organisation einfacher ist, wenn wir nur mit einem Begriff arbeiten.
In der Produktion findet wöchentlich in jedem Produktionsbereich unter der Führung des jeweiligen Meisters ein PDCA-Meeting statt. Neben der Produktion sind in diesen Meetings die Bereiche Qualität, Instandhaltung und Planung vertreten. Die Meetings dauern ca. eine Stunde.
Einmal pro Woche gibt es ein Meeting mit meinem Managementteam, wo unter anderem die PDCAs und die Onepager, das sind Aufgaben mit Projektcharakter, besprochen werden. Im Zuge der Bearbeitung der PDCAs und Onepager finden Workshops statt. Jede zweite Woche laden wir zu den Manager-Meetings Teilnehmer dieser Workshops ein, damit sie uns direkt über den Status und die erzielten Fortschritte informieren. Damit möchten wir die Wichtigkeit der beauftragten PDCAs und Onepager unterstreichen.
Alle zwei Wochen habe ich mit jedem meiner Mitarbeiter, die direkt an mich berichten – das sind aktuell elf Personen –, ein Jour fixe. Dabei werden KPIs, Abweichungen, PDCAs etc. besprochen und die Mitarbeiter werden bei Bedarf auch gecoacht. Ein Jour fixe dauert zwischen einer halben und einer Stunde.
Alle acht Wochen findet mit meinem Managerteam außer Haus, im Anschluss an ein gemeinsames Mittagessen, eine Besprechung statt. In dieser Besprechung legen wir gemeinsam fest, welche Projekte, mit welcher Priorität, mit welchen Ressourcen in den nächsten acht Wochen abgewickelt werden sollen.
Monatlich haben mein Team und ich mit unserem COO noch ein sogenanntes POEP-Meeting, POEP steht für „Program for Operational Excellence Performance“. In diesem Meeting gehen wir die KPIs durch und berichten über erzielte Fortschritte und getroffene Maßnahmen.
KPIs spielen bei Ihren Leader Standard Work-Routinen eine große Rolle – wie gehen Sie vor, wenn es bei einer Kennzahl eine Abweichung vom Ziel gibt?
Wenn eine Kennzahl rot ist, muss es eine Aktion geben. Das kann eine Maßnahme sein oder es wird ein PDCA beauftragt. Wenn es sich um ein größeres Problem handelt, das mit einem PDCA nicht gelöst werden kann, erstellen wir einen Onepager.
Wie stellen Sie sicher, dass Leader Standard Work konsequent durchgeführt wird?
Um unsere Leader Standard Work-Routinen laufend zu verbessern, haben wir ein Layered Process Audit-System eingeführt. Schwerpunktthemen sind unter anderem 5S, PDCA-Meetings und Shopfloor Management. Die Audits sind ein ganz wichtiger Teil in unserem Leader Standard Work.
Welche Führungsebenen führen die Layered Process Audits durch?
Alle Führungsebenen – vom Vorarbeiter bis zum COO. Der COO auditiert zum Beispiel meine Shopfloor Meetings, ich auditiere die Shopfloor Meetings meiner Manager und meine Manager auditieren die Shopfloor Meetings der Meister-Ebene.
Die Audits werden monatlich durchgeführt und in einem Template dokumentiert. Wenn eine Führungskraft ein geplantes Audit nicht durchgeführt hat, muss sie begründen, warum.
Sie werden also vom COO einmal im Monat auditiert?
Ja. Und ich auditiere jeden meiner fünf Manager auch einmal im Monat, und jeder von ihnen auditiert monatlich seine Führungskräfte.
Haben alle Generationen – Baby Boomer, Generation X, Y und Z – den gleichen Zugang zu Leader Standard Work?
Ich glaube, dass – jetzt muss ich vorsichtig sein, was ich sage – die reifere Generation einfacher zu Leader Standard Work zu bewegen ist als junge Führungskräfte. Junge Führungskräfte haben vielleicht eine etwas weniger strukturierte Art zu arbeiten und lassen sich nicht so einfach in einen Standard quetschen.
Hat das Thema „Digitalisierung“ einen Einfluss auf die standardisierte Führungsarbeit?
Unser Shopfloor Management wird derzeit im Wesentlichen an Oldfashioned-Tafeln durchgeführt, auf denen alle KPIs dargestellt sind. Die Daten für die Berechnung der KPIs sind natürlich in Datenbanken gespeichert und werden auch digital ausgewertet. Was wir aber nicht wollen, ist ein rein digitales Shopfloor Management. Ich bin zu 100 % überzeugt, dass ein Mitarbeiter zur Tafel gehen und das erreichte Ergebnis selbst mit einem Stift hinschreiben muss. Das Verständnis und die Beziehung zu den Kennzahlen sind so um ein Vielfaches besser.
Für die Abarbeitung der PDCAs probieren wir gerade ein digitales Tool aus, damit wir besser nachvollziehen können, an wie vielen PDCAs gerade gearbeitet wird und wie der Bearbeitungsstatus ist.
Was sind aus Ihrer Sicht Empfehlungen für Geschäftsführer, Vorstände und Betriebsleiter von produzierenden Unternehmen?
Ich glaube, dass man bei einer effektiven Einführung von Lean Management unbedingt eine bestimmte Reihenfolge einhalten muss. Man kann zum Beispiel nicht mit Shopfloor Management beginnen, wenn man noch kein 5S und kein PDCA zur Problemlösung hat. Und wenn eine Lean-Methode eingeführt wird, ist es wichtig, dass die Führungskräfte – auf allen Ebenen – regelmäßig Audits durchführen, um die Anwendung der Methode abzusichern.
Außerdem muss man den Mitarbeitern genügend Zeit geben, um sich an neue Methoden und Vorgehensweisen zu gewöhnen, sonst wird man sie verlieren. Meiner Meinung nach braucht man für die Einführung von Lean Management zumindest fünf Jahre.
Wir haben mit unserer Lean-Abteilung eine wirklich gute Roadmap für die Einführung von Lean Management entwickelt und arbeiten diese schrittweise ab.
Was sind die Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Einführung von Leader Standard Work?
In erster Linie muss es ein klares Committment vom Topmanagement geben. Mein COO akzeptiert zum Beispiel, dass es bestimmte Zeitpunkte gibt, wo ich für ihn nicht zur Verfügung stehe, weil ich Leader Standard Work-Aufgaben durchführen muss. Er ist bei uns auch ein ganz wichtiger Treiber hinter dem Thema.
Da das Thema umfangreich und nicht ganz einfach ist, braucht man Methodenexperten, die bei der Einführung und Weiterentwicklung von Lean Management und Leader Standard Work helfen. Man kann nicht alles selbst machen, man braucht Unterstützung von externen Consultants oder internen Mitarbeitern, die das Thema zu 100 % verstehen.
Wie werden Ihre Führungskräfte zum Thema „Lean Management“ unterstützt?
Bei GG gibt es in der Unternehmensgruppe einen Lean Manager, der werkübergreifend für die Weiterentwicklung des Lean Managements verantwortlich ist. Er ist ein ausgebildeter Lean Production-Black Belt. In den einzelnen Werken gibt es zusätzlich eigene Lean Manager oder – wie bei uns – eine Lean Managerin, ebenfalls mit einer Lean Production-Black Belt-Ausbildung. Weiters haben wir zwei Lean-Mitarbeiter, die gerade eine Lean Production-Green Belt-Ausbildung absolvieren.
Unsere Lean-Abteilung schult unsere Führungskräfte zum Thema „Leader Standard Work“ und diese coachen die Führungskräfte der jeweils nächsten Hierarchieebene.
Gibt es bei GG noch Potenziale in Bezug auf Leader Standard Work?
Wir sind sicher auf einem sehr guten Weg, bei Abweichungen setzen wir aber zum Beispiel noch nicht konsequent genug erforderliche Aktionen, das heißt Maßnahmen, PDCAs oder Onepager. Da haben wir sicher noch Potenzial.
Vielen Dank für das Gespräch!
Antoine van Horen
ist seit fünf Jahren Plant Manager bei GG Group – Gebauer & Griller Kabelwerke Gesellschaft m.b.H., Werk Poysdorf. Er stammt aus den Niederlanden, spricht fünf Sprachen und hat viele Jahre internationale Erfahrung als Plant Manager.
Zum Unternehmen
Die GG Group ist eine internationale Unternehmensgruppe in Familienbesitz mit rund 4.000 Mitarbeitern, die seit mehr als 80 Jahren technisch hochwertige Kabel und Leitungen zur Energie- und Datenübertragung produziert. Das Kabelwerk Poysdorf nimmt als Sitz für die Entwicklung der Kabel und Leitungen eine zentrale Rolle in der Unternehmensgruppe ein.
Interview: Berndt Jung
Lektorat und Gestaltung: Klaudia Priestersberger
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